Standpunkt 04/2024

Die Baustelle 04/2024
Die Tarifverhandlungen im Bauhauptgewerbe sind auch nach der zweiten Runde ergebnislos vertagt worden. Das ist keine Überraschung. Die schwierige wirtschaftliche Ausganssituation stellt die Verhandlungskommissionen vor große Herausforderungen. Die einzelnen Bausparten entwickeln sich zu unterschiedlich. Im Infrastrukturbau ist die Auftragslage nach wie vor akzeptabel. Dagegen macht im Wohnungsbau der Nachfrageeinbruch den Baubetrieben schwer zu schaffen. Bei den Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten, die im Ein- und Zweifamilienhausbau tätig sind, geht die Beschäftigung sogar zurück.

Daher passt die Forderung der IG BAU, die Entgelte über alle Einkommensgruppen hinweg um 500 Euro pro Monat zu erhöhen, nicht in die Zeit. Eine pauschale Erhöhung brächte in Lohngruppe 6 ein Lohnplus von 11 Prozent, in Lohngruppe 1 hingegen von 22 Prozent. Hier würden die überproportionalen Lohnsteigerungen den Beschäftigungsabbau beschleunigen.

Wieder einmal sieht sich die Gewerkschaft deshalb dem Vorwurf ausgesetzt, sie verhandele nur für ihre Mitglieder in Großbetrieben, wo die Auftragslage noch auskömmlich ist, während sie die Interessen der Beschäftigten in den vielen kleinen Betrieben ausblendet. Angesichts des Nachfrageeinbruchs im Wohnungsbau ist es aber wichtig, dass ein Verhandlungsergebnis erzielt wird, das für alle tragbar ist. Die große Teilnahme der Unternehmer am BVN-Autokorso hat das deutlich gemacht.

Unstrittig ist, dass sich die Reallöhne, aber auch die Produktivität im Baugewerbe seit 2020 rückläufig entwickelt haben. Für 2024 und 2025 prognostizieren die Wirtschaftsinstitute eine Stagnation bei den Bauinvestitionen. Ein Zuwachs wird frühestens Ende 2025 erwartet. Deshalb haben die Arbeitgeber ein Angebot vorgelegt, das sich an der voraussichtlichen Inflationsentwicklung orientiert. Sie bieten bei einer Laufzeit von 24 Monaten für das Jahr 2024 drei Prozent und auch für das Jahr 2025 drei Prozent an. Die Ausbildungsvergütung im ersten Lehrjahr soll überproportional auf 1.000 Euro erhöht werden. Für Randthemen, wie die Möglichkeit der Entgeltumwandlung und der Kollegenhilfe, streben sie ebenfalls eine Lösung an.

Das Angebot der Arbeitgeber berücksichtigt die wirtschaftlich angespannte Situation insbesondere im Wohnungsbau und entspricht den möglichen Verteilungsspielräumen der Betriebe. Entscheidend wird sein, ob die IG BAU genug Kraft hat, über ihren Schatten zu springen
und sich von ihrer realitätsfernen Pauschalforderung zu verabschieden. Das wäre ein großer Schritt hin zu einem Kompromiss.

Wenn am 9. und 10. April wieder verhandelt wird, müssen beide Seiten deutlich auf ihren Verhandlungspartner zugehen und in freien Verhandlungen einen Abschluss erzielen. Denn es wäre ein Armutszeugnis, wenn die Tarifpartner in einem der größten deutschen Wirtschaftszweige erneut nicht willens oder in der Lage sind, ihre Arbeitsbedingungen selbst zu regeln, und ihr Schicksal wieder in die Hände des Schlichters legen.

Registrierte Mitglieder erhalten Zugriff auf detaillierte Informationen und Dokumente.

Eingeloggt bleiben

Als registriertes Mitglied des BVN stehen Ihnen weitere Informationen und Downloads zur Verfügung.